Am Ende des Tunnels erscheint ein warmes Licht
Foto: Steffehn Baranjuk
Von Bettina Thoenes / Quelle: Braunschweiger Zeitung 11.02.2022
„Am Ende des Tunnels erschien ein warmes Licht”
Eine interaktive Ausstellung „Dialog mit dem Ende” will Besucher aller Altersgruppen mit der eigenen Sterblichkeit konfrontieren. Im Juni wird sie eröffnet. Gruppen können schon jetzt Termine reservieren.
Braunschweig. Trägt jeder Mensch die Kraft in sich, um sich mit dem eigenen Sterben und Tod zu versöhnen? Ja, ist Petra Scholz-Marxen überzeugt. Die Geschäftsführerin des Braunschweiger Vereins Hospizarbeit hat im Umgang mit Sterbenden und Angehörigen erfahren: Menschen, die sich als eine Ganzheit aus Körper, Seele, Geist und Spiritualität wahrnehmen, finden darin auch am Ende ihres Lebens Halt. „Der Tod trifft mich auf allen Ebenen und nicht nur intellektuell.”
„Ich vertraue auf die menschlichen Ressourcen”, sagt Petra Scholz-Marxen. Sie müssten in unserer verkauften Kultur nur wiederentdeckt werden. Spiritualität sei ein menschliches Urbedürfnis wie Essen und Trinken – egal, woran ein Mensch glaube. In ihr könne sich der Mensch aufgehoben fühlen.
Tatsächlich aber nimmt Peter Kapp, Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Andreas eine zunehmende Sprachlosigkeit wahr – er weiß von Trauerfeiern ohne Trauerreden. „Uns fehlen die Worte.” Was solle man noch sagen?
Für umso wichtiger halten die Initiatoren daher eine für Juni in Braunschweig geplante Ausstellung: In dem „Dialog mit dem Ende” werden die Besucher der St. Andreaskirche mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert – mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, den Wünschen und Hoffnungen. „Das Leben ist einzigartig. Und es wird enden. Reden wir drüber”, so das Motto.
Der Tod sei das letzte Tabu. „Über das Sterben spricht man nicht in einer Gesellschaft, die immer gesünder und leistungsfähiger werden will.”
Doch nicht zuletzt Corona-Pandemie und Klima-Krise mögen unseren Blick auf die eigene Sterblichkeit verändern. „Wir leben in einem Jahrhundert, in dem die Menschen meinen, alles im Griff zu haben”, sagt Sozialdezementin Christine Arbogast. „In der Pandemie aber machen wir die Erfahrung: Das funktioniert nicht. Trotzdem tun wir uns schwer zu akzeptieren, dass den Menschen Grenzen gesetzt sind. Wir leben in einer Zeit, in der ich manchmal die Anerkennung des Schicksals vermisse.”
Auch die Klima-Krise, so Petra Scholz-Marxen, rücke die Endlichkeit der Erde ins Bewusstsein. „Das Thema braucht viel mehr Öffentlichkeit”.
Die Filmemacherin Sylvie Hohlbaum und der Fotograf Steffen Baraniak haben für die Ausstellung Menschen in ihrer letzten Lebensphase porträtiert. Zwei Jahre lang haben sie recherchiert und 12 Frauen und Männer getroffen, die bereit waren, ihre Gedanken, Gefühle und Ängste zum Thema Sterben mit ihnen zu teilen – darunter sowohl junge Schwerkranke, Menschen mit einer Nahtod-Erfahrung als auch Hochbetagte. Entstanden sind Videointerviews und Fotografien. Ein Bannergarten und interaktive Hör- und Schreibstationen sollen zudem anregen, mit sich selbst und anderen in einen Dialog über das eigene Lebensende zu treten. Vor Ort geleiten Ehrenamtliche des Vereins Hospizarbeit durch die interaktive Wanderausstellung, die von der Körber-Stiftung entwickelt wurde. Veranstalter vor Ort sind die Stadt, die Hospizarbeit Braunschweig e. V., die Hospizstiftung, das Hospiz Am Hohen Tore und die Kirchengemeinde St. Andreas. Für Gruppen sind schon jetzt Reservierungen möglich.
Ob Menschen im Hospiz ihren nahen Tod akzeptieren oder nicht, sei sehr unterschiedlich, sagt Hospiz-Leiterin Petra Gottsand. Manche seien sich ihrer Situation sehr bewusst und hätten die Kraft zu regeln, was ihnen wichtig sei. Andere kämpften, um Lebenszeit zu gewinnen. Sie erfährt immer wieder: Ein offener Umgang mit dem Sterben und Gespräche mit Angehörigen und Seelsorgern helfen, um leichter von der Welt gehen zu können.
Gleichwohl: Wer weiß schon von sich, wie er arm Ende seines Leben dem Tod begegnen wird? „Der Weg steht uns allen bevor, aber niemand kann ihn ausprobieren”, sagt Peter Kapp. „Jeder von uns wird ihn alleine gehen.” Auf seine Weise.
Vom einem „Dialog mit dem Ende” erhofft sich Christine Arbogast, nicht nur Angst und Sorge in den Fokus zu rücken. Für Petra Gottsand zum Beispiel hat die Auseinandersetzung mit dem Tod dazu geführt, achtsamer im Hier und Jetzt zu leben, „mit offenem Herzen und wachen Sinnen”.
Und Erika Borek, Vorsitzende der Hospiz-Stiftung, hat in ihrem Leben die Erfahrung gemacht, dass Menschen in einem starken Glauben Halt finden. „Wenn es soweit ist, wissen wir nicht, wie wir reagieren. Manche finden zum Glauben zurück.”
In der Ausstellung kommt auch ein Unfall-Opfer zu Wort. Über seine Nahtod-Erfahrung berichtet der Mann: „Ich kam in einen dunklen Tunnel, der am Ende ein warmes, willkommen heißendes Licht hatte.”
Die Ausstellung richtet sich an Menschen aller Altersgruppen. Gruppen, zum Beispiel Schulklassen, können bereits jetzt einen Termin reservieren.
E-Mail: dialog-mit-dem-ende@braunschweig.de
Weitere Infos im Internet unter https://dialog-mit-dem-ende.de/